Eberstein

Wo Kärntens Bergwelt mystisch wird

Die neue Sehnsucht nach dem Wald

Die Welt ist dieser Tage unüberschaubar. Der Wald ist das Gegenmodell zum lauten Konsumgeschrei da draußen. Wald tut gut. Nenne es, wie Du willst. Sage, Du willst „zurück zur Natur“. Dein inneres Kind wiederentdecken. Zu sich finden. Bäume umarmen.

Du kannst auch einfach sagen: Ich will in den Wald. Ich habe Sehnsucht danach. Wonach genau? Nach dem frischen Geruch von feucht-kühler Erde. Nach Stille und nach Vogelgezwitscher. Dem Duft von frisch geschnittenem Holz. Dem Gefühl, mit nackten Füßen über weiches Moos zu laufen (nichts ist so weich wie ein moosiger Waldboden). Ich habe Sehnsucht danach, in einen Waldbach zu hüpfen. Ich will winzige Heidelbeeren essen. Den Kopf nach hinten beugen und zwischen Blättern den Himmel suchen. Durch die Sonnenstrahlen zwischen den Zweigen blinzeln. Hinter bemoosten Felsen Zwerge suchen. Mich erschrecken, wenn Tiere durchs Unterholz rascheln. Einen Feuersalamander bestaunen. Schweigen. Leise vor mich hinsummen. Mich nur auf den Weg konzentrieren. Kindern, denen fad ist, von meiner Kindheit erzählen. Mich erinnern, wie es war, als ich meine Mutter bat: Mama, erzähl’ mir, wie du ein Kind warst. Ich will mich auf den Boden werfen und den zart-betörenden Duft von Zyklamen inhalieren. Vom Weg abweichen und auf von geheimen Waldwesen angelegten Pfaden gehen. Kniehohe Farne über meine Beine streifen spüren.

Mich über die kribbelnde Aufregung angesichts der potenziellen Gefährlichkeit eines Fliegenpilzes freuen. Tannenzapfen in den Rucksack stecken. An meinen harzigen Fingern riechen. Einen Ameisenhaufen anstarren. Auf einem Baumstamm sitzen und nichts tun als seine Rinde streicheln. Die Luft anhalten, damit kein Hauch den Falter, der sich auf meinem Knie niedergelassen hat, stört. Aus der Ferne das Rauschen des Wasserfalls hören. Mich im Anblick der feinen Struktur von Flechtenmoos verlieren. Von Weitem eine Lichtung durch das Dickicht blitzen sehen und mich auf das freuen, was danach kommt.

Den Wald spüren: Über Baumrinde streichen, Harzgeruch und Föhrennadeln an den Fingerkuppen. Der Wald ist niemandem egal. Manchen ist er Zuhause. Der amerikanische Schriftsteller Henry David Thoreau schrieb 1854 mit seinem Buch „Walden“ über sein Leben in einer Blockhütte in den Wäldern von Massachusetts den Klassiker der literarischen Waldsehnsucht. Vor ihm schwärmten Dichter von Goethe bis Stifter vom grünen Dickicht. Manche fürchten sich vor ihm. Ein dichter Nadelwald kann sehr unwirtlich wirken, und die Angst vor Wölfen und Bären ist uns, so unberechtigt sie auch sein mag, seit Märchentagen vertraut.

Die meisten kommen in ihm zur Ruhe. Hier ist es so, wie Reinhard Mey vor 45 Jahren über das Fliegen behauptete: Hier muss die Freiheit wohl grenzenlos sein. Denn der Wald scheint unerschütterlich gegen die Zivilisationskrankheit Stress. Und er ist ein Ort des Widerstandes. Er erzählt von Räuberbräuten und von Robin Hood, von der Rettung des Auwaldes und dem Kampf gegen das Waldsterben. Außerdem ist er eine Parallelwelt: Hier, im kühlen Schatten, ist alles anders als drüben in den heißen, schmutzigen Straßenschluchten. Wälder sind Quelle der Inspiration und Orte, an denen wir uns selbst und unsere Natur neu entdecken. Sie sind Orte der Verwandlung.

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Unterstützt aus Mitteln des Görtschitztalfonds und dem Land Kärnten

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